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Projekt zur Strukturverbesserung in der Westaue fertiggestellt
Das Barben-Projekt der Aktion Fischotterschutz e.V. hat in enger Kooperati-on mit dem Unterhaltungsverband (UHV) West- und Südaue eine lang ge-plante Strukturverbesserung der Westaue im Unterlauf bei Wunstorf (Blu-menau) umgesetzt.
Bereits zu Beginn der Planung vor etwa zwei Jahren war bekannt, dass große Exemplare der anspruchsvollen Fischart Barbe auf der Suche nach kiesreichen Laichplätzen aus der Leine in die Westaue aufsteigen. „Solche Bereiche sind heutzutage aufgrund des Gewässerausbaus und der intensi-ven Gewässerunterhaltung im vergangenen Jahrhundert in Niedersachsen nur noch selten anzutreffen“, erklärt Sören Brose, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Aktion Fischotterschutz e.V. das Projekt an der Westaue betreut. Um die Barbe bei ihrer Fortpflanzung und beim Aufwuchs der Jung-fische zu unterstützen, wurde auf einem 600 m langen Teilstück eine struk-turverbessernde Maßnahme umgesetzt, die dem Fluss nun wieder ein Stück Dynamik zurückgibt.
Der Unterlauf der Westaue ist begradigt und sehr stark eingetieft. Von der Böschungsoberkante bis zum Gewässergrund beträgt der Höhenunter-schied fast drei Meter. Die Verbindung des Flusses mit seiner Aue ist somit nur bei starken Hochwasserereignissen vorhanden. Das Abflussprofil ist stark überdimensioniert, um den Rückstau eines Leinehochwassers aufneh-men zu können. Insbesondere in trockenen Sommermonaten führt dies dazu, dass nur noch ein dünner Wasserfilm von wenigen Zentimetern den Gewässerboden bedeckt. Die ökologische Durchgängigkeit insbesondere für große Fische ist dadurch stark eingeschränkt.
Das Vorhaben hatte somit vier Hauptziele: Die Einengung des Gewässerpro-fils zur Entwicklung einer gut durchströmten Rinne bei Niedrigwasser; das Einbringen von Kies als Fortpflanzungsstätte für kiesliebende Fischarten; die Aufweitung der Böschung zur Herstellung von beruhigten Flachwasserberei-chen und allgemein die Erhöhung der Struktur-, Tiefen- und Strömungsviel-falt durch die fest verankerten Flussholzelemente.
„Durch diese vielen Maßnahmen helfen wir natürlich nicht nur der Barbe. Wir schaffen hier auf kleinem Raum eine Vielzahl von Lebensräumen, von denen im Endeffekt die gesamte Artzusammensetzung eines natürlichen Fließgewässers, von der Schwertlilie in der Uferzone bis zum Eisvogel an der Steilwand, profitiert“, so Brose weiter.
Der Bereich bei Blumenau wurde unter anderem gewählt, weil sich ein brei-ter Uferrandstreifen auf beiden Seiten des Gewässers im Eigentum des Un-terhaltungsverbands befindet. Dieser hat die Maßnahme nicht nur befür-wortet, sondern sich finanziell und planerisch intensiv daran beteiligt.
Jannik Sandner, Geschäftsführer und Verbandsingenieur des UHV 53, berichtete von den ersten Gesprächen mit der Aktion Fischotterschutz: „Das Barben-Projekt hat bei uns offene Türen eingerannt. Wir waren selber gerade bei der Planung einer Revitalisierungsmaßnahme an der Südaue und haben schnell zugesagt, nachdem Herr Brose uns eine Kooperation vorge-schlagen hat“.
Der bis zu neun Meter breite Uferrandstreifen dient eigentlich zur Befahrung im Zuge der Gewässerunterhaltung. „Zumin-dest Teile davon konnten wir guten Gewissens abgeben, um dem Fluss Raum zu geben, sich in Teilen eigendynamisch zu entwickeln“, erläutert Sandner.
Ein weiterer bedeutender Kooperationspartner ist der Sportanglerverein (SAV) Blumenau. Er hat vor einigen Jahren bereits in Eigenregie kleinere strukturverbessernde Maßnahmen und Gehölzpflanzungen an der Westaue in Blumenau umgesetzt. Bereits bei der Auftaktveranstaltung des Barben-Projekts vor gut fünf Jahren war Manfred Bartels, ehemaliger Vorsitzender und Projektbeauftragter des Angelvereins, anwesend. „Mit einem kleinen Bericht zu unseren Maßnahmen haben wir das Barben-Projekt der Aktion Fischotterschutz quasi angefüttert. Spätestens als Sören Brose im Frühjahr 2023 auf der Leine-chaussee stand und die großen Barben unter der Brücke beobachten konnte, hatten wir ihn“, berichteten Bartels und der Vorsitzende des Angelvereins Norman Riechers.
Kurz darauf startete die Planung des Kooperationsprojektes. Da die Mittel im Barben-Projekt nicht ausreichten, beantragte der UHV erfolgreich Fördermittel für Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität in der Region Hannover. Weitere Mittel kamen von der Stadt Wunstorf für die Fließgewässerentwicklung.
Mit einer Informationsveranstaltung und vielen Gesprächen wurden von Beginn an alle Akteure vor Ort in die Maßnah-menplanung eingebunden. So konnte frühzeitig die Expertise der anliegenden Landwirte und Flächennutzer in die Pla-nung einfließen und eine flächenschonende Umsetzung wurde ermöglicht.
Eigentlich sollte die Maßnahme schon im Herbst/ Winter 2023 umgesetzt werden. Die regelmäßigen, starken Regenfälle sorgten jedoch für immer wiederkehrendes Hochwasser. Die Böden waren so stark durchnässt, dass das Befahren mit den Baumaschinen starke Flurschäden verursacht hätte. Dank der hohen Flexibilität der ausführenden Baufirma und einigen Maßnahmen zum Schutz der Brutvögel, konnte aber alles bis Ende April realisiert werden.
Auf dem 600 m langen Gewässerabschnitt wurden fast 60 Flussholzelemente in Form von Baumstämmen, Treibselfängen, Raubäumen mit Kronengeäst und Wurzelstubben eingebaut. Sie dienen als Lebensraum und schaffen Strömungsvielfalt. 430 Tonnen Kies bieten nun den kiesliebenden Fischarten optimale Laichhabitate.
Die Wurzelstubben wurden von der SAS Rohstoffe und Entsorgung GmbH kostenlos zur Verfügung gestellt. Sämtliche Stammhölzer konnten von einer riesigen Pappel gewonnen werden, die im Herbst im Bereich der geplanten Maßnahme umgefallen war. So konnte kostengünstig gearbeitet werden und es wurde Material verwendet, welches andernfalls ent-sorgt worden wäre.
An drei Stellen wurde das Gewässerprofil aufgeweitet und die Böschung abgeflacht. Mehrere hundert Kubikmeter Boden wurden dafür abgetragen. Dadurch sind große strömungsberuhigte Flachwasserbereiche entstanden, die ideal für heran-wachsende Jungfische sind.
Im Herbst sollen noch bei einer gemeinsamen Pflanzaktion mit den Anglern des SAV Blumenau typische Auengehölze ge-pflanzt werden, die in Zukunft den Fluss beschatten und somit einer übermäßigen Erwärmung des Wassers im Sommer entgegenwirken. Zusätzlich werten die Gehölze die Ökologie des Uferbereichs auf.
„Wir sind mehr als zufrieden mit der fertiggestellten Maßnahme, nicht zuletzt haben wir das dem effektiven Arbeiten der Baufirma und dem großen Entgegenkommen der anliegenden Flächeneigentümer zu verdanken und wir sind alle unheim-lich gespannt, wie die Maßnahme bei Niedrigwasser aussieht, wenn sie ihre volle Wirkung entfaltet“, resümieren Sandner und Brose.
Das Projekt „Artenvielfalt in der Aller – Neue Lebensräume für die Barbe“ ist ein Naturschutzprojekt der Aktion Fischotterschutz e.V. Begleitet wird die Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen durch Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung mit dem Fluss-Fisch-Mobil, das im gesamten Projektgebiet im Einsatz ist. Hiermit sollen die Menschen für die heimischen Fischarten und für die Bedeutung naturnaher Fließgewässer sensibilisiert werden. Das Barben-Projekt wird über das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen des Bundesprogramms "Biologische Vielfalt" mit Mitteln des Bundesumweltministeriums und über das Land Niedersachsen bis Ende September 2024 gefördert.
ZAHLEN und FAKTEN:
Beteiligte:
- Träger: Aktion Fischotterschutz e.V. (AFS) und Unterhaltungsverband 53 West- und Südaue
- Weitere Kooperationspartner: Stadt Wunstorf, SAV Blumenau,
- Ausführungsplanung und Bauüberwachung: Ingenieurbüro Aquaplaner
- Ausführende Baufirma: Thomas Wind Forst- und Gewässerbau
- Genehmigungsbehörde: untere Wasserbehörde, Region Hannover
- Umsetzung: 04/2024
Anzahl Strukturverbessernder Elemente:
- Gewässerstrecke: ca. 600 m
- Lenkbuhnen aus Stammholz: 21 Stck.
- Wurzelstubben: 20 Stck.
- Raubäume: 12 Stck.
- Kies: 430 t
- Bodenabtrag zur Böschungssenkung: 500 m³
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