Studie 2011

Ausgewählte Ergebnisse der Naturbewusstseinsstudie 2011

Nach den Ergebnissen der Naturbewusstseinsstudie 2011 ist für den größten Teil der Bevölkerung die Natur ein wichtiges Gut und der Naturschutz wird von einer großen Mehrheit als wichtige politische Aufgabe wahrgenommen (86 %). Rund ein Drittel der Befragten ist jedoch auch der Meinung, dass der Schutz der Natur die wirtschaftliche Entwicklung nicht behindern darf. Begründungen für den Schutz der Natur, die einen starken Rückhalt in der Bevölkerung haben, sind vor allem die Erholungsfunktion der Natur für den Menschen, ästhetische Aspekte der Natur und ihre Bedeutung für ein erfülltes Leben sowie Argumente der Gerechtigkeit, wie beispielsweise das Existenzrecht von Tieren und Pflanzen und das Recht künftiger Generationen auf eine intakte Natur.

Für 93 % der Befragten darf die Natur nur so genutzt werden, dass die Vielfalt der Lebensräume sowie die Vielfalt von Tieren und Pflanzen auf Dauer gesichert ist. Zu den wichtigsten Leistungen der Natur, die dem Menschen zugutekommen, gehört für die meisten die Luft zum Atmen, die Bereitstellung von Nahrung sowie Entspannung, Erholung und Gesundheit.

Bekanntheit der biologischen Vielfalt und Hand­lungs­be­reit­schaften

Die Mehrheit der Bevölkerung, konkret 62 % der Befragten, fühlt sich persönlich für den Schutz der Natur verantwortlich und ist bereit, eigene Beiträge dafür zu leisten. Dies kann sich durch ein verändertes Konsumverhalten oder durch direktes freiwilliges Engagement z. B. im praktischen Naturschutz zeigen. Zum eigenen Engagement befragt, kann sich gut die Hälfte der Bevölkerung einen aktiven Einsatz für den Schutz der Natur vorstellen. Eingerechnet darin ist das knappe Fünftel derer, die sich bereits als aktiv bezeichnen. Praktische Tätigkeiten, wie das Pflanzen von Bäumen oder die Biotoppflege, werden von den bereits Aktiven besonders häufig genannt. Für 76 % der Bevölkerung engagieren sich Unternehmen und Industrie noch zu wenig für den Schutz der Natur. Darüber hinaus wird von einem großen Teil der Bevölkerung (58 % bzw. 52 %) von der Bundes- und Landesregierungen mehr Einsatz für den Erhalt der biologischen Vielfalt erwartet.

In der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt (2007) wurde der Begriff „biologische Vielfalt“ definiert: „Biologische Vielfalt oder Biodiversität ist letztendlich alles das, was zur Vielfalt der belebten Natur beiträgt“. Dies umfasst die Variabilität und Vielfalt innerhalb der Arten, die Vielfalt der Ökosysteme und die genetische Vielfalt. Mit 42 % ist der Anteil der Personen in der Bevölkerung, der den Begriff biologische Vielfalt schon einmal gehört hat und weiß, was er bedeutet im Vergleich zu 2009 nahezu gleich geblieben. Er wird häufig mit Artenvielfalt gleichgesetzt (96 %). 68 % der Befragten nennen zusätzlich die Vielfalt der Lebensräume und 37 % assoziieren ebenfalls die genetische Vielfalt mit dem übergeordneten Begriff biologische Vielfalt. Im Vergleich zur Naturbewusstseinsstudie 2009 hat sich die Nennung der Lebensraumvielfalt fast verdoppelt und die der genetischen Vielfalt verdreifacht. Es ist anzunehmen, dass die ansteigende Medienpräsenz die Komplexität des Begriffs biologische Vielfalt in der Bevölkerung besser vermitteln konnte.

Vor allem für einfache Handlungsvorschläge zum Schutz der Natur existiert in der Bevölkerung eine hohe Bereitschaft. Es gaben beispielsweise 89 % der Befragten an, sich aus geschützten Bereichen fernzuhalten. Ein ähnlich hoher Prozentsatz bevorzugt regionales Obst und Gemüse und 74 % der Bevölkerung ist bereit die Marke von Drogerieartikeln zu wechseln, wenn sie erfahren würden, dass deren Herstellung die biologische Vielfalt gefährdet. Dies sind ermutigende Zahlen, die auch untermauern, dass für 71 % der Befragten der Schutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt eine vorrangige gesellschaftliche Aufgabe darstellt.

Die Ergebnisse ausgewählter Einzelfragen wurden zum „Gesellschaftsindikator biologische Vielfalt“ zusammengefasst, der die Teilindikatoren Wissen, Einstellungen und Handlungsbereitschaften zu einem Gesamtindex zusammenführt. Der Gesellschaftsindikator beschreibt den Anteil der Bevölkerung, dem die Bedeutung der biologischen Vielfalt bewusst ist und sein Handeln zunehmend daran ausrichtet. Der Gesellschaftsindikator spiegelt den Anteil der Bevölkerung wider, der in allen drei getrennt erhobenen Teilindikatoren mindestens den mittleren Wert einer dreistufigen Skala erreicht. Selbst wenn die Handlungsbereitschaft zum Schutz der Natur bei einem Teil der Bevölkerung sehr hoch ist (obere Stufe), das Wissen um die Bedeutung jedoch auf der untersten Stufe verbleibt, geht dieser Teil nicht in den Gesellschaftsindikator ein. Der Gesellschaftsindikator ist mit 23 % (2011) gegenüber 22 % im Jahr 2009 nahezu konstant geblieben. Trotz der positiven Entwicklung bei einigen Themenbereichen konnte das in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt angestrebte Ziel, dass der Gesellschaftsindikator bis zum Jahr 2015 einen Wert von 75 % aufweist, noch nicht erreicht werden.

Die Energiewende naturverträglich gestalten

Ein Abschnitt der Naturbewusstseinsstudie beschäftigte sich mit der Energiewende. Die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen wird von einem großen Teil der Bevölkerung unterstützt (85i% - 94 %). Auf einer allgemeinen Ebene werden Veränderungen in der Landschaft durch den Ausbau der Windparke im Meer und an Land (87 % bzw. 79 % Zustimmung) und die Flächennutzung für Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen (77 %) von den Befragten akzeptiert. Den zunehmenden Anbau von Raps und Mais als Energiepflanzen nehmen noch etwa zwei Drittel der Befragten hin, während 54 % dem Bau von Hochspannungsleitungen und 60 % der vermehrten wirtschaftlichen Nutzung der Wälder kritisch gegenüber stehen.

Auf lokaler und regionaler Ebene ist damit bei der konkreten Umsetzung entsprechender Maßnahmen mit einem gewissen Konfliktpotenzial zu rechnen. Dies gilt insbesondere für den für die Energiewende notwendigen Ausbau des Leitungsnetzes und den Aufbau weiterer Hochspannungsleitungen, der laut Studie nur von 42 % der Befragten akzeptiert wird. Hier bedarf es eines umfassenden Informations- und Beteiligungssystems und einer qualitativ und quantitativ hochwertigen Kommunikationsarbeit, um die Energiewende naturverträglich, nachhaltig und mit gesellschaftlicher Zustimmung weiter zu gestalten.

Bei aller Euphorie für die erneuerbaren Energiequellen breitet sich in der Gesellschaft langsam die Erkenntnis aus, dass unser gesamter Lebensstil und die Wirtschaftsweise nicht nachhaltig und nicht auf andere Völker übertragbar sind. Der Ressourcenhunger und die Freisetzung von Kohlendioxid der westlichen Welt haben die Tragfähigkeit der Erde längst überschritten.

Schlussfolgerungen und Strategien

Die Studie belegt, dass in der Bevölkerung eine Bereitschaft vorhanden ist, gesellschaftliche Veränderungs- und Transformationsprozesse mitzutragen und mitzugestalten. Die große Zustimmung zum Schutz der biologischen Vielfalt legt nahe, die Integration von Naturschutzaspekten in den aktuellen gesellschaftlichen Transformationsdiskurs verstärkt voranzutreiben. Die bearbeiteten Beispiele erneuerbare Energien, freiwilliges Engagement und Konsumverhalten offenbaren eine breite Zustimmung und Akzeptanz für Veränderungen. Um diese im Sinne einer nachhaltigen und vorsorgenden Politik weiter zu nutzen ist es notwendig, Beteiligungsprozesse zu organisieren, in denen Bürgerinnen und Bürger, Politik und Verwaltung gemeinsam nach neuen Wegen der Umsetzung suchen.

Es zeigte sich beispielsweise ein großes Interesse an Informationen zu nachhaltigem Konsum. Im Bereich der Lebensmittel könnten in das Marketing regionaler und Bioprodukte verstärkt Naturschutzaspekte einbezogen werden. Auch bezüglich der Naturverträglichkeit von Textilien existiert eine große Informationslücke, die durch entsprechende Kommunikationsarbeit geschlossen werden könnte. Gerade junge, kaufkräftige Zielgruppen interessieren sich für den Zusammenhang zwischen moderner Rohstoffgewinnung und Naturschutzaspekten. Neben den Konsumentensollten jedoch auch verstärkt Partner aus dem Segment Produktion sowie Verbraucherorganisationen für gemeinsame Kommunikationskampagnen gewonnen werden.

Da die Bereitschaft für freiwilliges Engagement zum Schutz der Natur in der Bevölkerung sehr hoch ist, gilt es neue und generationenübergreifende Angebotsformen zu entwickeln, die den Freiwilligen nicht zu viel Vorwissen abverlangen und kurzfristiges Engagement ermöglichen. Zielgruppenspezifisch sollte auch stärker vermittelt werden, welche Möglichkeiten für Naturschutzaktivitäten sich im Wohnumfeld der Städte und im Garten anbieten.

Es wurde auch deutlich dass das Argumentationsrepertoire innerhalb der Naturschutzkommunikation erweitert werden muss. Insbesondere Argumente des Glücks, die den Wert der Natur für ein erfülltes Leben hervorheben, und Argumente der Gerechtigkeit, die die menschliche Verpflichtung zum Schutz der Natur (Verantwortung) betonen, sollten verstärkt in die Naturschutzkommunikation Eingang finden. Menschen orientieren sich bei Bewertungen häufig an Bildern. Deshalb sollten nicht nur negative Landschaftsveränderungen thematisiert, sondern im Gegenteil die Rolle des Menschen als aktive Gestalter von Natur und Umwelt im Zuge einer nachhaltigen Gesellschaftstransformation stärker als bisher betont werden.

Die Studie liefert damit viele wichtige Hinweise für die Ausrichtung von Bildungs- und Kommunikationsprozessen. Insbesondere die Differenzierung nach soziodemographischen Segmenten und nach sozialen Milieus macht es künftig einfacher, bestimmte Zielgruppen passgenauer anzusprechen.