Lebenslanges Lernen
Ergebnisse
Lebenslanges Lernen
Ergebnisse des Workshops „Naturschutz und Bildung für nachhaltige Entwicklung – Teil 1: Ziele, Strategien und Perspektiven für Lebenslanges Lernen“
03.12. – 06.12.2006 im Bundesamt für Naturschutz – Internationale Naturschutzakademie Insel Vilm
1. Einleitung
Lebenslanges Lernen (LLL) ist bereits heute eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der sich schnell und permanent verändernden Bedingungen der menschlichen Lebenswelt. Menschen dazu anzuregen und zu unterstützen, ihre Kompetenzpotentiale so gut wie möglich auszuschöpfen, gehört zu den wichtigsten Zielen einer umfassenden Bildungspolitik. Auch die Nutzung und der Umgang mit natürlichen Ressourcen und der uns umgebenden Mitwelt muss von Kindesbeinen an gelernt werden. Angesichts des unverminderten Artensterbens, der zunehmenden Klimaveränderung und der zur Neige gehenden nicht erneuerbaren Rohstoffe werden Kenntnisse über einen schonenden und nachhaltigen Lebensstil zu einer Überlebensfrage.
2. Fragestellung
Der Workshop sollte klären, welchen Stellenwert der Naturschutz und die Umweltbildung in den beiden Bildungskonzepten haben und wie ihre Bedeutung zukünftig verbessert werden kann. Über 50 ExpertInnen aus Großschutzgebieten, der Naturschutzverwaltung, von Umweltzentren, Umweltverbänden, Hochschulen und Naturschutzakademien sowie selbständige UmweltbildnerInnen kamen nach Vilm, um sich mit Vorträgen zu beteiligen und um in Ideen-Werkstätten Maßnahmen und Projekte zu diskutieren und weiter zu entwickeln.
3. Ergebnisse
Zum einen wurde deutlich, dass das Konzept des LLL, das als Bildungsmaxime für den europäischen Raum anerkannt ist, seit seiner Entstehung Mitte der 70er Jahre eine deutliche Wandlung vollzogen hat. Ehemals von einem humanistischen Bildungsideal geprägt, wird es seit 2000 von der EU und den Mitgliedsstatten als Instrument genutzt, um die EU zum wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Zum anderen ist festzuhalten, dass es weder Bezüge zur nachhaltigen Entwicklung oder zum Naturschutz noch zum BNE-Konzept aufweist. „Nachhaltig“ wird im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch mit „dauerhaft“ bzw. „langfristig andauernd“ übersetzt und weist damit keine Bezüge zur umfassenden Definition der Brundtland-Kommission auf.
Das Konzept der BNE zielt darauf ab, Umweltbildung, Wirtschaftslehre und soziale Aspekte integrierend und global zu betrachten. Bereits seit 1998 („BNE Orientierungsrahmen“) wird LLL von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) zu den Schlüsselqualifikationen im Rahmen der BNE gezählt und die Anschlussfähigkeit hergestellt. In dem sich anschließenden bundesweiten Diskurs über nachhaltige Entwicklung und die Unterstützung durch BNE tauchen Naturschutzaspekte jedoch nur am Rande auf.
Als ein wesentliches Ergebnis des Workshops kann festgehalten werden, dass die unterschiedlichen Konzeptionen LLL, BNE, Naturschutz und Umweltbildung stärker zusammengeführt werden müssen. Für alle Aktivitäten, die im Rahmen des LLL ausgeschrieben werden, ist zu prüfen, welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigen Entwicklung und zum BNE-Konzept leisten. Dazu gehört die ganzheitliche Betrachtung von Förderprogrammen und ihrer Wirkungen (Sokrates, Leonardo da Vinci) ebenso wie der Hinweis auf eine nachhaltige Entwicklung in den Publikationen zum LLL.
Aber auch das BNE-Konzept stellt keine fertige Handlungsanweisung dar, sondern muss mit Fortführung des Diskurses weiter entwickelt werden. Dabei wird es darum gehen, einen stärkeren Lebensweltbezug herzustellen und dem theoretischen Konzept mit aus der Praxis gewonnenen Inhalten und Materialien eine stärkere Anwendungsorientierung zu geben.
Der Bereich Naturschutz repräsentiert ebenfalls kein scharf abgegrenztes Handlungsfeld. Eine starke Wissenschaftsorientierung bei gleichzeitiger Öffnung hin zur Gesellschaft kennzeichnet den augenblicklichen Zustand des behördlichen Naturschutzes. Um dauerhaft anschlussfähig zu bleiben, sind auch im Naturschutz Weiterentwicklungen und eine Ausrichtung der Ziele am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung notwendig, ohne jedoch die ureigensten Naturschutzziele aus den Augen zu verlieren.
Für eine intensivere Verzahnung der drei Handlungsfelder ist es notwendig, den mit diesem Workshop begonnenen Diskurs gemeinsam fortzusetzen. Die Erörterungen und Weiterentwicklungen der jeweiligen theoretischen Konzepte und Zielvorstellungen sollten zum Ergebnis haben, gemeinsame Schnittmengen zu identifizieren und zum Nutzen aller Akteure auszubauen. Dauerhafte Partnerschaften und Kooperationen aber auch gemeinsame Praxisprojekte stellen Erfolg versprechende Wege dar. Eine wichtige Aufgabe wird darin bestehen, Theorie und Praxis stärker als bisher miteinander zu verknüpfen und immer wieder kritisch zu reflektieren. Der Aufbau einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu diesem Themenkomplex kann eine gute Möglichkeit sein, um weitergehende Perspektiven zu entwickeln.
Eine zusätzliche Chance für die Verzahnung von Naturschutz und BNE stellt die im Jahr 2008 in Bonn stattfindende 9. Vertragsstaatenkonferenz (VSK) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) dar. Bestandteil der CBD ist ein globales Programm zur Kommunikation, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit (Communication, Education and Public Awareness, CEPA). Durch dieses soll das Thema Biodiversität im Rahmen einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne bekannter gemacht und mit der Dekade zur BNE verknüpft werden.
Naturschutz, Umweltbildung und Naturerfahrung können für die Weiterentwicklung des BNE-Konzeptes wichtige Ansätze liefern. Positive emotionale Erlebnisse und Naturbegegnungen gehören seit Jahrzehnten zum erprobten Methodenspektrum. Zur Popularisierung eines nachhaltigen Lebensstils und des naturschonenden Handelns sollten diese Angebote stärker als bisher in Richtung globale Gerechtigkeit, vernetztes Denken und Veränderung von Lebensstilmustern ausgerichtet werden. Ein Beispiel hierfür ist die konkrete Planung und Umsetzung eines Fortbildungsseminars mit dem Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Natschutzpädagogik“ am 27. – 28.02.07 im OTTER-ZENTRUM in Hankensbüttel.
BNE mit Lebensweltbezug
Maßnahmen und Projekte der BNE sollten am Alltagsleben der Zielgruppen ansetzen und mit Erlebnissen, Events und Emotionen ausgestattet sein, um die Menschen zu erreichen. Erlebniswelten der Freizeitwirtschaft (Freizeit- und Erlebnisparks, Science Center, Marken-Parks), in denen die Unterhaltung und das Vergnügen einen breiten Raum einnehmen, erlangen eine immer größere Popularität. Sie bieten jedoch bislang nur wenige Anknüpfungspunkte für Umweltbildung und BNE. Diese Einrichtungen können einerseits als Partner für den Naturschutz und die Umweltbildung gewonnen werden, um das Thema Nachhaltigkeit in deren Angebote zu integrieren. Andererseits können die in den Erlebniswelten entwickelten Methoden und Strategien auf ihre Tauglichkeit für die Umweltbildung und den Naturschutz hin überprüft und nutzbar gemacht werden.
Ähnlich wie beim LLL ist auch im Rahmen der BNE geplant, die formale Bildung stärker als bisher mit Angeboten der non-formalen und informellen Bildung zu vernetzen. Angebote für Ganztagsschulen, Nutzung außerschulischer Lernorte und die Ausbildungen von Freiwilligen für den Einsatz in Bildungseinrichtungen sind hierfür wichtige Stichworte. SeniorInnen oder Ältere gelangen sowohl als KundInnen der Umweltbildung und der BNE wie auch als UmweltbildnerInnen immer stärker in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit. Sie verfügen z.T. über fundiertes Umweltwissen, müssen jedoch im methodisch-didaktischen Bereich fit gemacht werden.
Formales Lernen ist das planmäßig organisierte Lernen, welches an Institutionen (z.B. Schule, Universität, Berufsschule) mit einem anerkannten Abschluss gebunden ist. Mit non-formalem Lernen werden selbst- oder fremdorganisierte Lernprozesse ohne anerkannte Abschlüsse (z.B. Umweltzentren, Volkshochschulen, Bildungsarbeit für Eltern, Maßnahmen zu Umweltthemen), außerhalb des formalen Bildungssystems beschrieben. Informelles Lernen wiederum ist durch unbeabsichtigtes, unbewusstes und beiläufiges aber auch bewusstes Lernen in unmittelbaren Lebens- und Erfahrungszusammenhängen (z.B. in Umweltzentren, durch MitschülerInnen, KollegInnen, den Austausch in sozialen Gruppen, durch Medien), außerhalb des formalen Bildungssystems gekennzeichnet. Non-formales Lernen und informelles Lernen werden in der öffentlichen Diskussionen oft nicht differenziert und unter dem Begriff des „informellen Lernens“ zusammengefasst.
BNE in der schulischen und außerschulischen Umweltbildung
Ziel des von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) initiierten Förderprojektes „Transfer 21“ ist es, das BNE-Konzept bis 2008 an 10 % der allgemeinbildenden Schulen zu etablieren, dauerhafte Unterstützungsstrukturen für die Lehrkräfte aufzubauen und BNE in die Ausbildung der Lehrenden zu integrieren. Bislang konnten rund 5 % aller Schulen erreicht werden (wobei sich nicht alle Schulen aktiv beteiligen), und vielfältige Unterrichtsmaterialien wurden erarbeitet (www.transfer-21.de/).
Ein entsprechendes Förderprogramm für den Bereich der informellen Bildung existiert nicht. Da etwa 70 % der Lernprozesse außerhalb der formalen Bildungseinrichtungen stattfinden, besitzen die Institutionen des non-formalen und des informellen Bildungssektors eine besondere Bedeutung für die Umweltbildung und die BNE. Sie können, da sie inhaltlich hochflexibel arbeiten, viel schneller auf die komplexen Anforderungen des BNE-Konzeptes reagieren, als Schulen und Hochschulen. Viele Institutionen, die im Bereich der informellen Umweltbildung aktiv sind, haben bereits reagiert und Angebote mit Bezügen zur nachhaltigen Entwicklung erarbeitet sowie Partnerschaften und Kooperationen aufgebaut. Dabei wurden und werden verschiedenste Finanzquellen erschlossen (z.B. LEADER+, Lernende Regionen, Regionen aktiv, EQUAL sowie Mittel von Stiftungen und Sponsoren).
Die Erarbeitung und Umsetzung einer regionalen Nachhaltigkeitsstrategie stellt eine gute Möglichkeit dar, verschiedene Institutionen miteinander zu vernetzen und den Nachhaltigkeitsgedanken zu verbreiten. Akademien, Umwelt- und Naturschutzzentren, Großschutzgebiete, Schulen und Verwaltungen können bei der Planung und Realisierung eine Schlüsselstellung einnehmen. Die Einbindung von Jugendlichen, denen häufig ein Desinteresse an der praktizierten Umweltbildung nachgesagt wird, kann durch konkrete Angebote im Rahmen einer regionalen Nachhaltigkeitsstrategie besser gelingen als mit traditionellen Angeboten.
Pluralität der Konzepte
Umweltbildung, Naturschutzbildung, Naturerfahrung und Ökopädagogik sind erprobte Strategien bzw. Konzepte zur Förderung eines umfassenden Umweltbewusstseins und des Umwelthandelns. Sie bedienen sich vielfältiger Methoden und werden für unterschiedliche Ziele eingesetzt. Diese seit Jahrzehnten bestehenden Bildungsstrategien können durch das Konzept der BNE nicht ersetzt werden. Im Gegenteil. Sie können wichtige Beiträge sowohl inhaltlicher als auch methodischer Form dafür liefern, das BNE-Konzept, das in weiten Bereichen der Schul- und Hochschullandschaft noch nicht angekommen ist, zu popularisieren.
Gleichwohl sollte überlegt werden, die Ziele, Inhalte und Methoden der erprobten Umweltbildungskonzepte stärker als bisher an den Erfordernissen der nachhaltigen Entwicklung auszurichten. In einigen Bereichen könnte die Wirkung von Umweltbildungsangeboten durch eine intensivere Vernetzung mit kompetenten Partnern (Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, Friedensinitiativen, Botanischen Gärten, Museen, Science Centern, Schulbauernhöfen, Jugendherbergen, Sportvereinen, Wellness- und Reha-Einrichtungen etc.) bessere Kenntnisse über die Bedürfnisse der Zielgruppen (Lebensweltbezug) und kreative Gestaltung von naturschutzbezogenen Events mit emotionalen, geselligen und kommunikativen Elementen verbessert werden.
Die Workshopreihe wird in Kooperation mit dem Bundesamt für Naturschutz fortgesetzt mit dem Thema: „Naturschutz und Bildung für nachhaltige Entwicklung“ - Teil 2: Ziele, Strategien und Perspektiven für Globales Lernen“ vom 23.09. – 26.09.07 in der Internationalen Naturschutzakademie Insel Vilm.
Informationen und Ergebnisse zum Workshop als pdf-Dateien
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